Machu Picchu
Machu Picchu ist fraglos die am besten erhaltene Inkastadt. Ihr fein gearbeitetes Mauerwerk und ihre sorgfältig angelegten Terrassen inmitten einer üppigen, subtropischen Landschaft lassen die harmonische Verschmelzung von Architektur und natürlicher Topographie, die für die Baukunst der Inka charakteristisch ist, voll zur Entfaltung kommen.
Der ausgezeichnete Erhaltungszustand Machu Picchus ist auf mehrere Umstände zurückzuführen. So sind die spanischen ‘Conquistadoren’ nie bis Machu Picchu vorgedrungen und seine Erbauer haben die Stadt faktisch mit ihrer Fertigstellung auch wieder verlassen. (Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass die Stadt nie bewohnt war.) Festzustehen scheint, dass mit dem Bau Machu Picchus frühestens 1438 unter Inca Pachacuti begonnen wurde und dass es ein Jahrhundert später bereits wieder verlassen war.
Machu Picchu (“alter Gipfel” in Quechua) ist eine relativ kleine Inkastadt, deren Zentrum ein Areal von ca. 770 mal 330 Meter einnimmt. Die Siedlung sitzt auf einem schmalen Felsgrat und ist von einer Mauer umgeben. Eine weitere Mauer trennt den landwirtschaftlichen Sektor von den Wohnbezirken. Das architektonische Gesamtkonzept betont die Entmischung unterschiedlicher Bereiche, so dass der Eindruck verschiedener Stadtviertel entsteht. Deren Anzahl variiert je nach Quelle bzw. Forscher, jedoch ist eine klare Zweiteilung zwischen Ober- und Unterstadt (hanan bzw. hurin) erkennbar. Zwischen beiden liegt eine Reihe offener Plätze und Höfe. Feineres Mauerwerk findet sich in der oberen Hälfte, während im unteren Teil einfachere Wohnhäuser dominieren. Entsprechend liegen auch diejenigen Bauwerke, denen eine besondere Funktion zugeschrieben wird, im hanan-Distrikt, so z.B. der “Sonnentempel” (vermutlich ein Observatorium) mit seiner geschwungenen Mauer, der “Raum der drei Fenster” und auch der nur auf drei Seiten gemauerte “Haupttempel”. Auf einem kleinen Hügel der hanan-Seite befindet sich auch Machu Picchus “Intihuatana”, eine Steinsäule von rechteckigem Grundriss auf einer einstufigen Plattform, die seitlich in den gewachsenen Fels übergeht. Diese rituelle Sonnenuhr wirft jeweils zur Winter- und Sommersonnenwende praktisch keinen Schatten, so dass man davon ausgeht, dass sie die Sonne gewissermaßen festhielt. Da Machu Picchu nie von den Spaniern erobert wurde, ist der Intihuatana hier nicht wie in anderen Inkastädten von ihnen zerstört worden. Was den Spaniern nicht gelang, schaffte eine Filmcrew, die hier 2001 einen Werbespot für ein peruanisches Bier drehte. Ein schwerer Kamerakran kippte auf die Spitze des Intihuatana und beschädigte ihn irreparabel. Inkapriester nutzten diese ‘Sonnenuhren’, um in Abgleichung der Messergebnisse verschiedener Intihuatanas den Wechsel der Jahreszeiten zu bestimmen und den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat festzulegen.
Warum die Inka eine Stadt an diesem spezifischen Ort des Urubamba-Tals erbauten, bleibt ungeklärt. Dass der Ort aufgrund der natürlichen Gegebenheiten leicht zu verteidigen ist und auch Merkmale wie die Zugbrücke und die Stadtmauer sprechen für die Theorie einer Zitadelle, jedoch gibt es mehrere vergleichbare Siedlungen auf Bergspitzen im Urubamba-Tal. Eine Rolle bei der Ortswahl mag auch der prominente Gipfel des Huayna Picchu (‘junger Gipfel’) gespielt haben. In einer Höhle seiner Nordflanke befindet sich der so genannte “Tempel des Mondes”. Unterirdisch findet man hier feinstes Mauerwerk einschließlich eines großen trapezförmigen Tores und ebensolcher Nischen sowie eine Reihe in den Fels geschlagener Stufen. Der schwierige Zugang und die Ausrichtung des Bauwerks auf einen hohen Berggipfel legen die Vermutung nahe, dass es sich um ein bedeutendes Inka-Heiligtum gehandelt hat. Wie auch in anderen Inkastädten überstieg die durch Terrassierung geschaffene Anbaufläche die Bedürfnisse der maximal auf 1000 Bewohner geschätzten Bevölkerung. Eine Theorie geht davon aus, dass um Machu Picchu Koka in großem Stil angebaut wurde, um den Bedarf Cuscos mit seiner endlosen Abfolge von Zeremonien und Festen zu decken. Die heiligen Blätter und andere Nutzpflanzen finden im warmen und feuchten Klima der Umgebung ideale Wachstumsbedingungen, so dass es naheliegend erscheint, dass auf Machu Picchus Feldern nicht zuletzt für den Markt der Hauptstadt produziert wurde.
Zu den Legenden, die sich um die rätselhafte Inkastadt ranken, scheint seit dem Jahr 2008 auch zu gehören, dass Hiram Bingham Machu Picchu entdeckt habe. Historiker aus den USA und Peru gehen davon aus, dass bereits 1867 der deutsche Unternehmer Augusto Berns Machu Picchu entdeckt und mit Billigung der peruanischen Regierung ausgeplündert hat.
Machu Picchu droht heute seiner Popularität und deren unkontrollierter Ausbeutung durch die Tourismusindustrie zum Opfer zu fallen. Waren es 1992 noch 9000 Besucher im gesamten Jahr, die nach Machu Picchu kamen, sind es im Jahr 2012 nahezu 1,2 Millionen gewesen. Nur zögerlich hat sich die peruanische Regierung dem Druck u.a. der UNESCO gebeugt und Maßnahmen ergriffen, den Inka Trail nach Machu Picchu zu entmüllen und den Zugang auf 2500 Besucher pro Tag zu beschränken. Unkoventionell hat die finnische Regierung Peru den Erlass eines Viertels seiner Schulden im Tausch gegen ein Schutzprogramm für Machu Picchu angeboten.