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Geschichte Boliviens
Spuren menschlicher Besiedlung im Andenraum lassen sich ab 10.000 v. Chr. nachweisen.
Um 1.500 v. Chr. beginnt mit der Pukara-Kultur (Pucará), deren Siedlungsgebiet nördlich des Titicacasees lag, die so genannte “formative Periode” späterer Hochkulturen, für die neben ersten festen Siedlungen auch Keramikfunde belegt sind.
Um 200 n.Chr. schwindet der Einfluss der Pukara-Kultur, und im südlichen Titicaca-Becken etabliert sich in der Folgezeit Tiwanaku als wichtigste Siedlung und Zentrum des überregionalen Karawanenhandels. Auf der ökonomischen Grundlage von intensiver Landwirtschaft, z.B. in Form der durch Kanäle bewässerten Hochbeete, so genannter camellones, und der Zucht von Lamas als Wolle- und Fleischlieferanten sowie als Transportmittel, einer innovativen Keramik und Metallverarbeitung entstehen monumentale Steinbauten und -Figuren.
Tiwanakus Einfluss erstreckte sich bis zur peruanischen Pazifikküste, dem chilenischen Norden und weit nach Argentinien.
Er beruhte wahrscheinlich auf der Kolonialisierung nahegelegener Gegenden und in entfernteren Regionen auf seiner kulturellen Dominanz durch Religion, Kultur und Handel.
Tiwanakus Niedergang vollzog sich zwischen 1000 und 1150 n. Chr.. Er äußerte sich in kontinuierlich sinkenden Bevölkerungszahlen und der (teilweisen) Zerstörung von Monumenten. Ursachen waren vermutlich sich verändernde klimatische Bedingungen bzw. Witterungsmuster, die den Grundwasserspiegel soweit absinken ließen, dass der Anbau mittels cammellones nicht mehr möglich war.
Bis um 1400 n. Chr. folgten im Andenhochland des heutigen Boliviens die auch als Fürstentümer bezeichneten Señoríos Aymara auf Tiwanaku. Zu diesen Gruppen gehörten auch die Colla, deren um das Jahr 1000 entstandene Nekropole Sillustani unweit Punos bis heute von deren Baukunst zeugt.
Um 1400 n. Chr. erstreckte sich die Expansion des Inkareiches auch auf den andinen Bereich Boliviens, der als Kollasuyo ins Inka-Imperium einging.
Mit der Ankunft der Spanier in Peru und Alto Perú, wie diese das heutige Bolivien nannten, wurden diese Gebiete bis Mitte des 16.Jahrhunderts in das spanische Kolonialreich eingegliedert, und es begann die nahezu drei Jahrhunderte dauernde Kolonialherrschaft.
Die Ausbeutung – oft als Zwangsarbeit der indigenen Bevölkerung – der 1545 entdeckten Silbervorkommen des treffend Cerro Rico genannten Berges bei Potosí finanzierte über die kommenden Jahrhunderte das spanische Weltreich und brachte mehr als acht Millionen Menschen um.
Indigene Aufstände gegen die spanische Kolonialregierung blieben wiederholt erfolglos und wurden blutig niedergeschlagen.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die von Kreolen getragenen Unabhängigkeitsbewegungen unter den Vorzeichen der Napoleonischen Kriege auf der iberischen Halbinsel Aussicht auf Erfolg.
Diese Unabhängigkeitsbewegung erfasste seit 1809 nach und nach den gesamten südamerikanischen Kontinent.
Der im venezolanischen Caracas geborene Simón Bolívar befreite mit seiner Armee nacheinander Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Peru, letzteres mit Unterstützung der Armee des unabhängigen Argentiniens unter Juan de San Martín.
Am 6. August 1825 wird aus den Provinzen Alto Perú die Republik Bolivien, benannt nach Simón Bolívar, der auf die Päsidentschaft zugunsten seines Generals Antonio José de Sucre verzichtet.
Für die indigene Bevölkerungsmehrheit änderte sich auch unter den neuen Vorzeichen so gut wie nichts an Ausbeutung und weitgehender Rechtlosigkeit.
Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts bleibt Instabilität durch häufige Machtwechsel und ungezählte Putsche das wesentliche Merkmal bolivianischer Politik.
Zum einschneidende Ereignis und nationalen Trauma, das bis in die Gegenwart nachwirkt, wurde der um einen Grenzkonflikt mit Chile zwischen 1879 und 1884 geführte Salpeterkrieg. Bolivien verlor mit ihm die Provinz Antofagasta und seinen Zugang zum Pazifik.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert übernahmen die so genannten Zinnbarone die Macht, und das innerbolivianische Machtzentrum verlagerte sich in Folge eines Bürgerkriegs von Sucre nach La Paz.
Zwischen 1932 und 1935 lieferten sich Bolivien und Paraguay im so genannten Chacokrieg die sowohl blutigste als auch sinnloseste Auseinandersetzung des 20. Jahrhunderts auf dem amerikanischen Kontinent. Der als guerra estúpida in die Geschichte eingegangene Konflikt kostete 100 000 Tote und Bolivien weitere Teile seines Staatsgebietes.Einer der Kriegshelden auf bolivianischer Seite war der spätere Präsident Germán Busch, der aus San Javier stammte und trotz geringer politischer Erfolge während seiner kurzen Amtszeit (1937- 23.8.1939, Selbstmord) bis heute hohes Ansehen genießt.
Auch Buschs Nachfolger scheiterten vorerst mit ihren Versuchen, die Macht der Minenbarone, z.B. durch Verstaatlichung der Banken, Zulassung von Gewerkschaften usw., einzuschränken. So wurde Gualberto Villarroel López 1946 Opfer eines Lynchmobs.
Erst 1952 verhalf eine von Teilen der Armee, Studenten und Gewerkschaften getragene Revolte dem ein knappes Jahr zuvor als Kandidat des Movimiento Nacionalista Revolucionario (MNR) gewählten Víctor Paz Estenssoro an die Macht.
Der MNR leitete umfangreiche Maßnahmen ein wie die Verstaatlichung der Zinnminen, eine große Landreform und die vollen Bürgerrechte für die indigenen Bevölkerung.
Diese Reformen wurde in den kommenden Jahren wieder ausgehöhlt, und 1964 kam es erneut zu einem Militärputsch.
Es folgte eine 18jährige Phase sich abwechselnd aus dem Amt putschender Militärjuntas, die nur von wenigen Versuchen eine demokratisch legitimierte Regierung ins Amt zu bringen unterbrochen wurde.
Im Hochland des Altiplano hatten sich während der 1960er Jahre Guerillagruppen gebildet, unter denen die ELN (Ejército de Liberación Nacional) die bedeutendste war.
Als 1966 Che Guevara mit einer Gruppe kubanischer Kämpfer nach Bolivien kam, um die kubanische Revolution nach Bolivien zu tragen, stellte sich bald heraus, dass sein Kommando weder die Unterstützung der kommunistischen Partei Boliviens noch die der indigenen Bauern besaß. Dem bolivianische Militär gelang es mit Unterstützung der CIA bald, die Gruppen um die Kubaner in die Enge zu treiben und aufzureiben. Che Guevara wurde im Oktober 1967 gefangengenommen und wenige Tage später ohne Verhandlung hingerichtet.
Seine sterbliche Überreste wurden unter der Landebahn des Flughafens von Vallegrande verscharrt und erst 1997 wiederentdeckt und nach Kuba überführt.
Im Jahr 1982 endete die Militärherrschaft in Bolivien, doch die Regierung war mit einbrechenden Zinnpreisen, Hungersnöten in Folge einer Dürre 1982 und einer massiven Auslandsverschuldung konfrontiert, die 1984 zur Zahlungsunfähigkeit führte.
Es folgen zwei Jahrzehnte, die unter dem Druck des IWF und dem von den USA ausgerufenen Drogenkrieg stehen. Proteste gegen die Privatisierung der Wasserversorgung führten in Cochabamba zum so genannten Wasserkrieg, an dessen Ende die Privatisierungsbestrebungen wieder aufgegeben wurden. Auch das geforderte Ende des Koka-Anbaus führte letztlich nur dazu, dass 50 000 Kokabauern ihrer Existenz beraubt wurden.
Bereits unter den Bedingungen der Militärherrschaft hatten sich Indigenen-Organisationen gebildet, die später in die heute regierende und von Evo Morales geführte MAS (Movimiento al Socialismo) eingingen.
Die MAS trat 1997 erstmals zu den Parlamentswahlen an (3,9%), bereits im zweiten Anlauf 2002 war sie zweitstärkste Partei (20,94 %) und errang bei den Wahlen von 2005 mit 54 % schließlich eine überzegenden Sieg. Am 22. Januar 2006 wurde Evo Morales als erster indigener Präsident des Landes vereidigt.Bei den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2009 erhielt Evo Morales sogar 64 % der Wählerstimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 94 %).
2014 wurde Morales mit 61% der Stimmen erneut wiedergewählt. Damit ist er der am längsten amtierende Präsident in der Geschichte des Landes.
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