Potosí

Die legendäre Minenstadt auf über 4000 Metern Höhe war einst eine der wohlhabendsten Städte der Welt.

Die unter Zwangsarbeit der indigenen Bevölkerung von der spanischen Kolonialmacht ausgebeuteten Silbervorkommen des Cerro Rico machten Spanien unermesslich reich und brachten mehr als acht Millionen Menschen um.
Selbst Potosís Kirchen wenden sich nicht dem Sonnenaufgang zu, sondern zeigen mit ihren Fassaden nach Süden – zum von Mineneingängen und staubigen Straßen zerfurchten Cerro Rico.
Heute führen ehemalige oder auf eigene Faust arbeitende Minenarbeiter Besucher durch die Stollen, in denen nach wie vor Metalle unter brutalen Bedingungen abgebaut werden.
Das Silber von einst wurde in der La Moneda, dem größten säkularen Gebäude des spanischen Kolonialreiches, zur Währung gemünzt. Heute beherbergt der Komplex ein Museum mit einer vielfältigen Sammlung, die von Münzen und Prägemaschinen über Sakralkunst bis zu indigener Textilkunst reicht.
Am Nordende de Plaza 10 de Noviembre steht auch Potosís mächtige, doppeltürmige Kathedrale. Sie wurde an derselben Stelle erbaut, an der die erste 1807 einstürzte. Der zwischen 1808 und 1838 entstandene Bau im Stil des Barock mit neoklassizistischen Einflüssen markiert den Endpunkt der großen neoklassizistischen Kathedralen in Lateinamerika.

Stichwort: El Tío
In den Minen des bolivianischen Hochlands bezeichnet „der Onkel“ (El Tío) einen Berggeist, der auch als Huari oder Supay bekannt ist. Er ist eng mit einer ähnlichen Figur in den Minen Perus, genannt „Muqui“ verwandt. Seine Benennung als „Onkel“ zeugt von der engen Beziehung, die Boliviens Bergleute zu dem Geist haben.
Seine Darstellung ähnelt denen des Teufels in der christlichen Religion, der auch als Herr der Unterwelt gilt.
In jedem aktiven Schacht einer Mine findet sich eine Darstellung des Tío, meist als kleinere bis lebensgroße, gehörnte Lehmfigur, deren Attribute aus Alltagsgegenständen der Bergleute bestehen (Zähne aus Glasscherben, Augen aus den Glühlampen der Helme). Meist hat die Figur eine Zigarette im Mund. Zigaretten, Kokablätter, hochprozentiger Alkohol sind die wichtigsten Opfergaben im Rahmen des ch’alla genannten alltäglichen Opferritus. Dabei setzen sich die Bergarbeiter zu dem Tío und teilen mit ihm diese Gaben.
Beim k’araku handelt es sich um einen formellen, von einem Schamanen ausgeführten Ritus. Das geschieht am 1. August, dem Beginn des landwirtschaftlichen Zyklus, wenn sich die Erde für Opfergaben empfänglich zeigt, oder nach einem Grubenunglück, um den Herrn der Unterwelt zu besänftigen.
Dabei werden am Mineneingang ein oder mehrere Lamas rituell geschächtet, ihr Blut wird in Schüsseln aufgefangen, um es später an die Wände des Eingangs, die eingesetzten Maschinen oder gegen den Fels aktiver Erzadern zu schütten.
Danach verlassen alle die Mine, damit El Tío sein Mahl ungestört genießen kann, während sich die Opfernden draußen am Fleisch der Lamas und jeder Menge Alkohol gütlich tun.
Mit diesem Opfer soll El Tíos unersättlicher Appetit besänftigt werden, damit er keine menschlichen Opfer fordert.