*Jungfernfahrt des Tren Maya am 15. Dezember 2023*
Heute findet die Jungfernfahrt des umstrittenen Tren Maya statt, obwohl noch ein Großteil der Gesamtstrecke unvollendet ist. Der erste Zug des Megaprojekts wird von Campeche nach Cancún fahren, dessen Bahnhof ebenfalls unvollendet ist.
Weitaus strittiger als diese Etappe, die weitgehend auf bereits zuvor bestehenden Gleisen erfolgt, ist sowohl der entlang der so genannten Riviera Maya verlaufende Abschnitt, als auch vor allem die das Biosphärenreservat Calakmul mit dem gleichnamigen Welterbe und dem zweitgrößten Tropenwald Amerikas durchschneidende Strecke.
Ursprüngliche Meldung vom 25.04.2023
Ungeachtet verhängter Baustopps, ignorierter Umweltauflagen und eines nicht mehr einhaltbaren Budgets, geschweige denn des Fertigstellungtermins Ende 2023, frisst sich das kontroverse Großprojekt Meter für Meter durch das fragile Ökosystem des yukatekischen Waldes.
Der Tren Maya und die Umwelt
Während der Tren Maya von der Mayastadt Palenque, über Campeche und Mérida bis nach Izamal auf einer bestehenden Bahntrasse verkehren soll, müssen rund 900 der insgesamt 1500 km neu gebaut werden. Besonders sensibel ist dabei der so genannte Abschnitt 7 der Bahnstrecke, der zwischen Escárcega im Westen und Chetumal im Osten bei den weltbekannten Mayaruinen von Calakmul abseits der bereits bestehenden Nationalstraße 186 das gleichnamige Naturschutzgebiet durchschneidet. Calakmul teilt mit Tikal im benachbarten Guatemala den Status, sowohl zum Weltkultur- als auch zum Weltnaturerbe zu gehören. Nun wurde bekannt, dass ganz in der Nähe Calakmuls ein 150-Zimmer-Hotel errichtet werden soll, obwohl in den Umweltauflagen vereinbart worden war, dass hier, auch wegen der knappen Wasserressourcen, maximal ein 50-Zimmer-Hotel entstehen darf. Zudem liegt der voraussichtliche Standort in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem wichtigen Wasserloch. Aguada Bonfil, so der Name der Wasserstelle, ist von elementarer Bedeutung für die Wildtierfauna der Region, darunter Jaguare und Ozelote. Eigentümer des Hotels wie auch Betreiber der Bahnstrecke ist das als Grupo México bekannte Unternehmen, das im Wesentlichen den mexikanischen Streitkräften gehört. Diesen soll auch ein substantieller Teil der zu erwartenden Einnahmen aus dem touristischen Megaprojekt, zu dem auch ein neuer Flughafen in Tulúm gehören wird, zugute kommen.
Auch andernorts entlang der Bahnlinie haben Kritiker berechtigte Sorge, dass das Bauprojekt nicht wiedergutzumachende Umweltschäden anrichten wird. So verläuft die Bahnlinie an der so genannten Riviera Maya, von Cancún über Playa del Carmen, Tulúm und Bacalar bis nach Chetumal, nicht parallel zur Bundesstraße 307, sondern kilometerweit landeinwärts über dem nach Ox Bel Ha weltgrößten unterirdischen Höhlen- und Flusssystem Sac Actún. Dass durch die Erschütterungen der über die Gleise donnernden Waggons dessen Kalksteindecken brechen könnten, sehen Geologen als reale Gefahr.
Der Tren Maya und der Tourismus
Auch für Reisende, die die Yucatán-Halbinsel auf eigene Faust erkunden möchten, bringt der Tren Maya keine Vorteile. Schließlich liegen die Bahnhöfe und Haltepunkte des Zugs noch immer kilometerweit von der jeweils namensgebenden Attraktion entfernt, und gerade wenig besuchte Mayastädte, zum Beispiel an der Ruta Puuc oder entlang der Mex 186, sowie Cenotes und alte Haciendas bleiben so außerhalb der Reichweite von Bahnreisenden.
Stattdessen sollen noch mehr Touristen als bisher in die großen Zentren von Cancún, Playa del Carmen und Chichén Itzá gelockt werden, Orte, die bereits jetzt deutlich unter Overtourism leiden.
Der Tren Maya und die Maya
In weiten Teilen des mexikanischen Südostens herrscht die Auffassung, ökonomisch abgehängt und gegenüber dem Norden benachteiligt zu werden. Tatsächlich entstehen durch die Bauarbeiten des Tren Maya Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten, die es zuvor nicht gegeben hat. Dennoch wäre es eine Illusion zu glauben, dass die in das Bahnprojekt fließenden Milliarden der indigenen Bevölkerung zugute kommen werden. Vielmehr kommt es entlang der Bahnlinie zu Enteignungen im Zuge des Wegerechts, während die Dörfer und Kleinbauern der Halbinsel um den Zugang zu Trinkwasser bangen und die Zerstörung der natürlichen Ressourcen des Waldes fürchten.
Der Tren Maya und der größere Zusammenhang
Der Tren Maya ist nur ein Teil eines weitaus größeren Infrastrukturprojektes, des so genannten Corredor Transístmico (Interozeanischer Korridor), der den Isthmus von Tehuantepec zur Konkurrenz für den Panamakanal ausbauen soll. Dies geschieht durch den Ausbau von Schienen, einer parallel verlaufenden Autobahn, Häfen und die Ausweisung von Sonderwirtschaftszonen, Industrieparks der Automobilindustrie und Petrochemie sowie so genannter Maquiladoras (“Lohnveredelungs”-Betriebe, in denen Produkte für den Export montiert werden).