Osterinsel – Rapa Nui
Wann die Osterinsel besiedelt wurde, ist umstritten, dass sie besiedelt wurde, ist eine Sensation. Das inmitten des Südostpazifiks gelegene Eiland von 160km² Größe und einer maximalen Höhe von 300m ohne moderne Navigationstechnik zu “finden”, grenzt an ein seemännisches Wunder.
Dem heutigen Erkenntnisstand nach, auf der Grundlage von Radiokarbondatierungen, wurde Rapa Nui zwischen 700 und 1100 von Polynesien aus besiedelt. Die ersten Siedler kamen vermutlich von Pitcairn, den Gambierinseln oder auch von den Marquesas. Die einst von Thor Heyerdahl entwickelte These, dass die Erstbesiedler der Osterinsel aus Südamerika stammten, erwies sich angesichts genetischer, archäologischer und sprachwissenschaftlicher Untersuchungen als unhaltbar, auch wenn ein Kulturkontakt zu Südamerika nachweislich bereits im 14.Jahrhundert bestand.
Der Ursprungsmythos der Rapa Nui berichtet in der mündlichen Überlieferung vom mythischen Häuptling Hotu Matua, der sich – der Traumreise eines Schamanen folgend – mit mehreren Doppelrumpf-Kanus und einigen hundert Menschen aufmachte und nach Wochen der Reise das ‘achte Land’ erreichte. Am Strand von Anakena ging er an Land und errichtete hier seine Residenz. Bevor Hotu Matua starb, teilte er die Insel unter seinen Kindern auf. Deren Nachkommen gründeten die verschiedenen Lineages der Rapa Nui. Tatsächlich lassen sich manche Elemente des Mythos auch in der Realität wiederfinden, z.B. eine stark hierarchisch geprägte Gesellschaft, die in zehn máta genannte Klane unterteilt war. Der ariki genannte Chef des Klans, der sich in direkter Linie der Erstgeborenen auf den mythischen Vorfahren Hotu Matua beziehen konnte, herrschte über die anderen neun Klane. Ab etwa 1100 n. Chr., also kurz nach der Besiedlung, begann die Konstruktion großer Bauwerke wie der ahu (Zeremonialplattformen), der moai (Statuen aus Stein), von Zisternen und tupa (Beobachtungstürme der Priester-Astronomen). Die meisten Siedlungen entstanden entlang der Küste, und auch die meisten moai wurden an der Küstenlinie errichtet, wo sie über die Bewohner der jeweiligen Siedlungen zu ihren Füßen wachten, mit dem Rücken zum Meer, dem Reich der Geister. Man geht davon aus, dass die moai verehrte Ahnen repräsentierten, zu denen die Rapa Nui ein symbiotisches Verhältnis pflegten: Die Toten ‘versorgten’ die Lebenden mit allem, was diese benötigten wie Gesundheit, Fruchtbarkeit (der Felder und Tiere) und Wohlstand, während die Opfer der Lebenden den Vorfahren einen besseren Platz oder Status in der Welt der Geister verschafften.
Die Blütezeit der Rapanui-Kultur, in der u.a. die heute bewunderten Moai und andere Zeremonialbauten entstanden, entpuppte sich ökologisch als zunächst schleichende und später eskalierende Katastrophe. Die systematische Entwaldung beraubte die Insulaner ihrer wichtigsten Baustoffquelle, so dass der Siedlungsbau und der Hochseefischfang bis zum 15.Jahrhundert zum Erliegen gekommen war. Die bedeutendsten unter den endemischen Baumarten, die Rapa Nui Palme (Paschalococos disperta), benötigte 100 Jahre, bis sie ausgewachsen war. Ab 1650 gilt sie als ausgestorben. Zu diesem Verschwinden hat vermutlich nicht nur der Mensch, sondern auch die von den Siedlern als Nahrungsquelle mitgebrachte Pazifische Ratte beigetragen, indem sie die Früchte der Palme fraß. Auch für die bodenbrütenden Vogelarten der Insel erwies sich die Ratte als fatal, während andere Vogelarten durch die Entwaldung ihre Nistplätze verloren. Fehlende Bewaldung führte zu Bodenerosion, zum Rückgang von Niederschlägen und zu Missernten bei Feldfrüchten wie Taro, Yams, Maniok und Süßkartoffel, deren Kulturen nicht mehr durch Bäume geschützt und dem Salzwassersprühnebel ausgesetzt waren. Auch der Toromiro, eine im Schatten der Palmen gedeihende kleinwüchsige endemische Baumart, galt lange als ausgestorben, und wurde erst in den letzten Jahren (vorerst) erfolgreich wieder angesiedelt.
Dennoch ist die Metapher von der Osterinsel als Sinnbild des menschengemachten ökologischen und kulturellen Niedergangs nicht unumstritten. Auch die Berichte der ersten europäischen Besucher widersprechen sich in Teilen: Während der als Wiederntdecker der Insel geltende Niederländer Jakob Roggeveen 1722 von fruchtbaren Böden und ausschließlich von aufrecht stehenden Moais berichtet, waren zu dem Zeitpunkt als James Cook 1774 im Rahmen seiner zweiten Reise auf der Osterinsel anlegte, bereits viele der Statuen umgestürzt. Sicher ist, dass sich sowohl der Prozess des Kulturverfalls als auch die Dezimierung der Bevölkerung mit dem Kontakt zu Europäern und Südamerikanern, insbesondere im 19.Jahrhundert beschleunigte. Tiefpunkt dieser Entwicklung waren die Sklavenrazzien peruanischer Menschenhändler, die 1862 und 63 1500 überwiegend männliche Rapa Nui verschleppten, darunter auch den Herrscher und die weisen Männer, die als einzige die rongo rongo -Schriften zu lesen wussten, so dass die geheimnisvollen Zeichen auf Holztafeln bis heute nicht gedeutet werden können. Als die überlebenden 15(!) der 1500 Verschleppten auf Drängen der Kirche wieder zur Osterinsel gebracht wurden, starben 13 auf der Überfahrt, und die beiden einzigen Überlebenden infizierten die örtliche Bevölkerung mit Windpocken, denen das Immunsystem der Inselbewohner nichts entgegenzusetzen hatte. Wenige Jahre danach gab es nur noch 111 Einheimische.
Als Chile die Osterinsel 1888 annektierte, dauerte es nur wenige Jahre, bis 60 000 Schafe die Insel kahlfraßen. Zuvor hatte Chile sie dem Spekulanten Enrique Merlet verpachtet und dieser hatte seine Besitzansprüche wenig später an das britische Handelsunternehmen Williamson-Balfour übertragen. Als sich Viehdiebstähle ereigneten, wurden die Einheimischen kurzerhand interniert und durften einen Großteil der Insel nicht mehr betreten. Dieser Zustand weitgehender Rechtlosigkeit der Rapa Nui trotz chilenischer Staatsbürgerschaft dauerte bis in die 1960er Jahre an. Ausgerechnet mit der Diktator Pinochets begann schrittweise die Eigenständigkeit der Osterinsel, es folgten Investitionen in die Infrastruktur, und Mitte der 1980er Jahre wurde Sergio Rapu, Archäologe und Rapa Nui, zum ersten Gouverneur der Insel ernannt.
Wer heute die noch immer weite Reise auf die Osterinsel unternimmt, sollte vor Ort mindestens 4-5 Tage einplanen, um auch die abgelegeneren Teile Rapa Nuis z.B. im Rahmen geführter Wanderungen oder auch auf eigene Faust zu erkunden.
Die Anreise erfolgt per vierstündigem Flug ab Santiago de Chile.