Manaus

Die rund zwei Millionen Einwohner zählende Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas erscheint bereits aus der Luft deplatziert: An einem breiten schwarz-braunen Flusslauf gelegen, umgeben von endlosem Grün, ist Manaus bis heute de facto nur auf dem Wasserweg oder aus der Luft zu erreichen.

Dass aus der 1669 errichteten kleinen portugiesischen Befestigung nahe dem Zusammenfluss von Río Negro und Río Solimões im späten 19.Jahrhundert buchstäblich über Nacht eine florierende Stadt wurde, die bald danach als reichste der Welt galt, war dem “Baum, der weint” zu verdanken. Kautschuk (cao ‚Baum‘ und ochu ‚Träne‘) war in Europa bereits vereinzelt bekannt, seit Cortés eine aztekische Pelota-Mannschaft, die mit einem Kautschukball spielte, zu einem ‘Gastspiel’ an den Hofe des Karl V. gebracht hatte. Doch es dauerte Jahrhunderte, bis mit der Entdeckung der Vulkanisation durch Charles Goodyear 1839 der Durchbruch zur industriellen Nutzung des Kautschuks gelang.
Die Gummibarone bauten sich und der Öffentlichkeit steinerne Denkmäler ihres unglaublichen Reichtums, und Manaus kam zu seiner Amazonas-Oper und weiteren Bauten, die heute ähnlich fehl am Platz wirken wie die Stadt aus der Vogelperspektive. Zu diesen gehören neben dem Theater die nach dem Pariser Vorbild errichteten und 1883 eingeweihten Markthallen des Mercado Municipal Adolpho Lisboa am Hafen, das dortige, als Alfândega bekannte ehemalige Zollgebäude, das 1906 aus in England vorgefertigten Bauteilen zusammengesetzt wurde, und schließlich der Palácio Rio Negro, 1910 als Wohnsitz des deutschen Kautschukhändlers Waldemar Scholz erbaut.
Manaus’ Kautschukboom war schon nach wenigen Jahrzehnten wieder vorbei, nachdem es Henry Wickham in einem Akt der frühen Biopiraterie gelungen war, Kautschuksamen aus Brasilien nach Ceylon zu schmuggeln. 1910 kam noch die Hälfte der Weltkautschukproduktion aus Brasilien. Doch acht Jahre später deckten die asiatischen Plantagen achtzig Prozent des Weltmarkts ab. Heute kommen über neunzig Prozent allen Kautschuks aus Asien.

Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehören auch die schwimmend gelagerten Docks des Passagier- und des Containerhafens, deren Konstruktion es ermöglicht, jahreszeitliche Wasserstandsschwankungen von bis zu 14 Metern auszugleichen.
Während alle genannten Attraktionen im historischen Stadtkern gelegen sind und sich problemlos zu einem Rundgang von wenigen Kilometern verbinden lassen, muss man zum Besuch des Encontro das Aguas an einer entsprechenden Bootstour teilnehmen, oder einen der teuren Überflüge in einer kleinen Propellermaschinen buchen.
Die markante Wassergrenze zwischen Río Solimões und Río Negro am Encontro das Aguas lieferte das graphische Vorbild für das berühmte Promenadenpflaster an Rio de Janeiros Copacabana.
Unter Manaus’ Museen ist der Besuch des Centro Cultural dos Povos da Amazonas zu empfehlen, das eine hochinteressante ethnographische und naturkundliche Sammlung beherbergt, jedoch recht weit außerhalb des Zentrums in einem Industriegebiet gelegen ist. Ebenso sehenswert und zentraler gelegen ist das Museu Amazônico. In der Amazonas Oper finden oft kostenlose Konzerte der Seria Guaraná statt, so dass sich vor Ort ein Blick in den Spielplan lohnt.