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1. Die deutsche Kolonialzeit
Die Reichsgründung machte Deutschland 1871 zum Nationalstaat und die Industrialisierung machte es zur wirtschaftlichen Großmacht.
In dieser Zeit begannen interessierte Kreise wie Industrielle, Kaufleute, Forscher und einzelne Politiker für die Gründung deutscher Kolonien zu werben und dem Beispiel anderer europäischer Kolonialmächte zu folgen.
Der Kolonialismus sollte einerseits neue Absatzmärkte sowie neue Kapitalanlage-Möglichkeiten schaffen und andererseits billige Rohstoffimporte ermöglichen. Schließlich sollte die Teilhabe aller Deutschen an neuen Produkten und dem Überlegenheitsgefühl gegenüber den Kolonisierten soziale Konflikte im eigenen Land abmildern. (Bild: Hakenmüller (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons)
Im Rahmen der “Kongo-Konferenz”, die 1884/1885 in Berlin tagte, sicherten sich europäische Mächte ihre Ansprüche auf afrikanisches Territorium.
Mit so genannten „Schutzbriefen“ sicherte das Deutsche Reich private Investitionen in den Kolonien ab.
Daraufhin “kaufte” der Bremer Kaufmann Lüderitz 1883 unter fragwürdigen Umständen das Gebiet zwischen den Flüssen Tsondab, Useb, Oranje, Gawa-Gam, Fish River und dem Meer von Nama-Führer Fredericks. Wenig später erwarb er weitere Gebiete, bis seine Erwerbungen rund 580 000 km² umfassten, auf denen ca. 200 000 Menschen lebten.
Bereits 1885 musste Lüderitz, der sich finanziell übernommen hatte, das Territorium an die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika verkaufen.
Mit der Übernahme der Verwaltung der Kolonie durch das Deutsche Reich 1891 und der
Einsetzung von Gouverneuren wurde eine koloniale Wirtschaftsstruktur geschaffen. Die lokale Bevölkerung, die zuvor als Selbstversorger gelebt hatte, wurde nunmehr steuerpflichtig und damit abhängig von den Kolonialherren.
Nachdem die Herero bereits 1897 durch einen Ausbruch der Rinderpest ihr Vieh zu Tausenden verloren hatte, verschärfte eine aggressive Siedlungspolitik und der Eisenbahnbau durch Herero-Weideland den Konflikt zwischen Weißen und Afrikanern.
Im Januar 1904 kam es mit dem Angriff auf deutsche Farmen und die Garnison in Okahandja zum offenen Aufstand der Herero gegen die deutschen Kolonialherren.
Während Gouverneur Leutwein eine Politik des “Teile und Herrsche” verfolgt hatte, indem er die Interessen der verscheidenen Volksgruppen gegeneinander ausspielte, kündigte Lothar von Trotha (nach der Abberufung Theodor Leutweins) nach seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber und Gouverneur Deutsch-Südwest-Afrikas bereits vor Ankunft im Land an, wie er seinen Auftrag, den Aufstand der Herero niederzuschlagen, umzusetzen gedachte: “Ich kenne genügend Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld.”
Am 11. August 1904 kam es zur Entscheidungsschlacht am Waterberg. Dabei organisierte von Trotha seine Truppen absichtlich so, dass die eingekesselten Herero nur an einer Stelle durchbrechen und in die angrenzende Omaheke-Wüste fliehen konnten.
Von Trotha ließ nicht nur die bewaffneten Aufständischen, sondern die gesamte afrikanische Bevölkerung einschließlich jener, die sich am Aufstand gar nicht beteiligt hatten, in die wasserlose Omaheke-Wüste treiben. Ihre Ränder wurden jahrelang belagert, Wasserlöcher wurden vergiftet und sobald die Eingeschlossenen versuchten, die Wüste zu verlassen, wurden sie getötet.
In der Publikation des deutschen Generalstabs “Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika” (1906) heißt es: “Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes.”
Aus der vermeintlichen Niederschlagung eines Aufstandes war längst eine geplanter Völkermord geworden.
Mit der Ernennung von Trothas zum Kommendanten der Schutztruppe hatten sich auch die Nama dem Aufstand angeschlossen. Anders als die Herero, die sich am Waterberg der offenen Schlacht gestellt hatten, bedienten sie sich in ihren Attacken von Beginn an einer Guerilla-Taktik. Fünf Jahre dauerte die Rebellion der Nama an. Sie endete erst im Februar 1909, als in die britische Kap-Provinz geflohene Aufständische an die Deutschen Kolonialbehörden ausgeliefert und in Südwestafrika zum Tode verurteilt wurden. (Bild: Universitätsbibliothek Heidelberg, Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906, Seite 4959, gemäß CC-BY-SA 3.0 DE
Rund 80.000 Herero lebten vor den Unruhen in Deutsch-Südwestafrika. Im Jahr 1911 wurden in einer Volkszählung 15.130 Herero registriert. Hinzu kamen rund 3.000 weitere, denen die Flucht nach Britisch-Betschuanaland (Botswana) gelungen war.
Somit sind mehr als drei Viertel der Herero-Bevölkerung bei der Niederschlagung des Aufstands getötet worden. Das Land und alles übrige Eigentum der Herero wurden beschlagnahmt, ihr Grundbesitz wurde zum Regierungsland erklärt. Mit der Enteignung des Landes brach eine neue Epoche in der Kolonisierung Südwestafrikas an. Dringend zur Ansiedlung von Deutschen benötigte landwirtschaftliche Flächen standen nun endlich zur Verfügung, ohne auf eine Verschuldung der Herero und eine Zwangsvollstreckung warten zu müssen. Immer mehr Farmen gingen in das Eigentum deutscher Siedler über. Waren es 1906 nur 44 Farmen, so wechselten 1907 schon 240 Farmen den Eigentümer.
Überlebende Herero und Nama wurden in Konzentrationslagern interniert, unter denen Shark Island als berüchtigstes galt. Auf der trostlosen Insel in der Lüderitzbucht wurden zunächst Herero gefangen gehalten, ab Mitte 1906 auch Nama. (Bild: See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons)
Minimale Nahrungsmittelrationen (in der Regel eine Handvoll ungekochter und damit unverdaulicher Reis), Krankheiten wie Typhus, Misshandlungen und Zwangsarbeit führten zusammen mit dem feuchtkalten Klima zu hohen Sterblichkeitsraten.
Schätzungen gehen davon aus, dass allein auf Shark Island 3000 bis 4000 Menschen umkamen.
Die im August 1907 erlassenen “Eingeborenenverordnungen” verboten Nama und Herero den Erwerb von Land, das Halten von Großvieh und nahmen ihnen die Niederlassungsfreiheit. Das Verbot von Mischehen, die Passpflicht und die “Verordnungen über Dienst- und Arbeitsverhältnisse” machten sie de facto zu Sklaven im eigenen Land.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs versuchte Großbritannien sich die 1908 entdeckten Diamantenvorkommen in der Lüderitzbucht zu sichern und Deutsch-Südwestafrika in sein südafrikanisches Kolonialreich einzugliedern.
Bereits im Juli 1915 ergaben sich die Deutschen den britisch-südafrikanischen Truppen und Deutsch-Südwestafrika wurde zum Protektorat der Südafrikanischen Union.
Die Herero und Nama, die auf eine Rückgabe des ihnen geraubten Landes gehofft hatten, blieben weitestgehend rechtlos.
Obwohl etwa 6000 Deutsche das Land verließen, wurden die von der deutschen Kolonialregierung beschlagnahmten Weideflächen nicht zurückgegeben. Stattdessen kam es zu weiteren Enteignungen und das Land wurde auf etwa 3 000 weiße Siedlerfarmen verteilt, die stark subventioniert wurden. Einige davon gingen an etwa dreihundert “Afrikaner”, Nachkommen von Voortrekkern, die sich zuvor in Angola niedergelassen hatten.
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2. Von der Apartheid zur Unabhängigkeit
Nach dem Verlust der deutschen Kolonien wurde Südafrika vom Völkerbund als Mandatsmacht in Südwestafrika eingesetzt.
Ehemaligen deutschen Siedlern wurde ein Bleiberecht neben den neu angesiedelten südafrikanischen Farmern, meist so genannte Dorslandtrekker aus Angola, eingeräumt, wodurch sich die Hoffnung der Namibier, ihr Land wieder zu bekommen, zerschlug.
Stattdessen wurden Fremdherrschaft, Ausbeutung und Diskriminierung in den folgenden Jahrzehnten unter dem Begriff der Apartheid fortgeführt und gesetzlich legitimiert.
So wurde 1922 eine Siedlung der Bondelswarts (eine Gruppe der Orlam-Nama) von der südafrikanischen Luftwaffe bombardiert, weil sich diese gegen die Einführung und drastische Erhöhung der Hundesteuer auf ihre Jagdhunde wehrten. Bei diesem Angriff kamen 130 Menschen ums Leben, weitere 468 wurden verletzt oder gefangengenommen.
Mit der Ablösung des Völkerbundes durch die UNO nach dem Zweiten Weltkrieg sollte das namibische Mandatsgebiet durch die Vereinten Nationen treuhänderisch verwaltet werden. Südafrika ignorierte den Widerruf des Mandats durch die UNO und forderte den Anschluss des namibischen Territoriums an Südafrika als fünfte Provinz.
Mit dem Wahlsieg der Nationalen Partei bei den südafrikanischen Wahlen von 1948 errang die Rassentrennung Verfassungsstatus und die Konflikte in Namibia verschärften sich.
Die rassistische Politik der “getrennten Entwicklung” wurde insbesondere mit der Verabschiedung des Group Area Acts von 1950 (Umsiedlung in nach Ethnien getrennte Ghettos) und durch die Schaffung von Home- und Farmlands gemäß der Odendaal-Kommission von 1964 umgesetzt. Dabei wurden den verschiedenen indigenen Gruppen jeweils bestimmte Siedlungsgebiete zugewiesen, die aufgrund von Bodenbeschaffenheit und Wassermangel häufig nicht sinnvoll zu bewirtschaften waren, während mehr als 80 Prozent des Farmlandes in Händen (weniger) Weißer blieb. (Karte: U.S. Central Intelligence Agency [Public domain], via Wikimedia Commons)
In den städtischen Gebieten wurden analog zur Entwicklung in Südafrika so genannte “Townships” für die schwarze Bevölkerung errichtet, in denen überwiegend männliche Arbeiter lebten.
So wurde 1958 eine Gruppe von 400 Damara aus dem fruchtbaren Augeigas-Gebiet in das karge Okombahe-Reservat zwangsumgesiedelt, wobei Tausende ihrer Rinder starben, die Nama-Gemeinde von Hoachanas wehrte sich zunächst, unter anderem mit einem Appell an die UNO, in das ihnen zugewiesene, trostlose Land in Tses zu ziehen, wurde aber 1959 dennoch dazu gezwungen. In Windhoek wurden die Bewohner der so genannten “Old Location” gezwungen, in das neue Township Katatura zu ziehen (“Wo wir nicht leben können” in Otjiherero). Obwohl auch die “Old Location” , aus der sie vertrieben wurden, schlechte Bedingungen bot, lebten die Menschen dort seit Generationen und einige Bewohner besaßen Eigentumsrechte. In Katutura wurden die Menschen nach Ethnien aufgeteilt, und die Coloureds wurden in einen separaten Bereich, Khomasdal, verlegt, wo sie bessere Lebensbedingungen vorfanden als die schwarze Bevölkerung. Im Rahmen der Proteste gegen diese Zwangsumsiedlung wurden 11 Menschen getötet. Diese Vorfälle gelten als ein Auslöser des Befreiungskrieges und führten zum Zusammenschluss verschiedener Bewegungen wie der OPO (Ovamboland People’s Organization), der SWANU (South-West African National Union) und dem Herero Chief’s Council, um sich den Zwangsumsiedlungen zu widersetzen.
Am 19. April 1960 gründete sich die South West Africa People’s Organisation (SWAPO) unter Parteichef Sam Nujoma. Ihr militärischer Arm, die PLAN (People’s Liberation Army of Namibia) begann 1966 den militärischen Kampf um die Unabhängigkeit des Landes. (Bild: Romanian Government [Public domain], via Wikimedia Commons)
Die Swapo bzw. Plan operierten anfangs meist von sambischem Territorium, da ungeachtet der fortschreitenden Dekolonisierung Afrikas während der 1960er Jahre Namibias nördliches Nachbarland Angola bis 1975 portugiesische Kolonie war.
1973 erklärte die UNO die Swapo zur rechtmäßigen Vertretung der Bewohner Südwestafrikas.
Mit der Unabhängigkeit Angolas im November 1975 verlagerte die Swapo ihre Basen nach Angola, wo sie zunehmend von sowjetischen und kubanischen Militärberatern unterstützt und mit Waffen versorgt wurde.
Angolas erster Präsident Agostinho Neto, der einseitig die Unabhängigkeit von Portugal ausgerufen hatte, bat Kuba, die Integrität des neuen Staates zu gewährleisten, da sowohl südafrikanische Truppen in der “Operation Zulu”, als auch die von Zaire unterstützte FNLA (Nationale Front zur Befreiung Angolas) tief in angolanisches Territorium eingedrungen waren. Im Dezember 1975 kamen ca. 50 000 kubanische Soldaten in Luanda an und stoppten vor Jahresende den südafrikanischen Vormarsch.
Unter den Vorzeichen des Kalten Krieges hatten die USA kein Interesse an der Unabhängigkeit Namibias. Stattdessen galt ihr Interesse den südafrikanischen Uranvorkommen, so dass die USA 21mal Sicherheitsrat-Resolutionen per Veto verhinderten, die Südafrika zum Einlenken bringen sollten. (Bilder: © African Activist Archive)
Schließlich wurde die UN-Resolution 435, die den Abzug der südafrikanischen Truppen und freie Wahlen unter UNO-Aufsicht forderte, am 29.9.1978 ohne Gegenstimme angenommen. Grundlage der Entschließung war der Plan der so genannten “westlichen Kontaktgruppe”, eines Gremiums aus Diplomaten der Staaten Frankreich, Großbritannien, USA, Bundesrepublik und Kanada, das diesen Plan in multilateralen Gesprächen mit Südafrika, der SWAPO, den sogenannten Frontstaaten des Südlichen Afrika (Tansania, Mosambik, Botswana, Sambia, Angola) und Nigeria als afrikanischer Regionalmacht ausgehandelt hatte.
Doch die südafrikanische Regierung machte zur Bedingung, dass die Wahlen unter Aufsischt der südafrikanischen Polizei stattfinden sollten, wissend, dass die Swapo sie dann boykottieren würde. Der Wahlsieg der nach ihrem ersten Tagungsort benannten “Turnhallenallianz”, die vor allem die weiße Minderheit repräsentierte, fand international keine Anerkennung. (Bild: Pgallert [CC BY-SA 3.0], from Wikimedia Commons)
In den Folgejahren verschrieb sich Südafrika der Taktik des Zeitschindens während mit dem Amtsantritt Ronald Reagans die von den übrigen Staaten der Kontaktgruppe abgelehnte Linkage-Politik die Oberhand gewann, wonach die Ausführung der Resolution 435 den Abzug der Kubaner aus Angola zur Voraussetzung haben sollte.
Erst mit dem Ende des Kalten Krieges kam es schließlich zu einem Waffenstillstand zwischen Südafrika und der SWAPO (1988) und zu einem von der UN überwachten Abzug der südafrikanischen Truppen. Vom 7. bis 11. November 1989 fanden Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung statt, bei denen die SWAPO-Partei mit gut 57 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit errang.
Mit dem Inkraftteten der Verfassung am 21. März 1990 wurde Namibia unabhängig.
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