Evo Morales, Präsident Boliviens, Dezember 2009.

Evo Morales, Bild: Simon Wedege, CC BY 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0>, via Wikimedia Commons

In Bolivien überschlagen sich die Ereignisse, seit Evo Morales zurückgetreten ist, um, wie er sagte, die Gewalttätigkeiten, die auch seine Familie betrafen, zu beenden und das Land zu befrieden.

Am 12.11.2019 wurde er, nachdem er das zuvor vom mexikanischen Außenminister Marcelo Ebrard unterbreitete Asylangebot angenommen hatte, mit einer Maschine der mexikanischen Luftwaffe ausgeflogen. Eine Aufnahme in Ebrards Twitter-Account zeigt Morales an Bord der Maschine mit einer mexikanischen Flagge.

Ebenfalls via Twitter verabschiedete sich Evo Morales vor seinem Abflug mit folgenden Worten:

Schwestern und Brüder, ich gehe nach Mexiko, dankbar für die Großzügigkeit der Regierung dieses Brudervolkes, das uns Asyl gegeben hat, um unser Leben zu beschützen. Es tut mir weh, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde immer bereit sein. Bald werde ich mit mehr Kraft und Energie zurückkehren.

“Hermanas y hermanos, parto rumbo a México, agradecido por el desprendimiento del gobierno de ese pueblo hermano que nos brindó asilo para cuidar nuestra vida. Me duele abandonar el país por razones políticas, pero siempre estaré pendiente. Pronto volveré con más fuerza y energía.”

Vorausgegangen waren tagelange, zunehmend gewalttätige Proteste nach den umstrittenen Stimmen-Auszählungen der Präsidentschaftswahlen vom 20. Oktober 2019.

So hatte die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) bereits am 21.Oktober in einer Stellungnahme “ihre tiefe Besorgnis und Überraschung über die drastische und schwer zu erklärende Trendwende bei den vorläufigen Ergebnissen nach Abschluss der Umfragen” zum Ausdruck gebracht.

Dem widersprach z.B. das us-amerikanische, als progressiver Think Tank geltende CEPR (Centro de Investigación en Economía y Política, bzw. Center for Economic and Policy Research) in einer Stellungnahme vom 22.10.2019 und forderte die OAS auf, ihre Pressemitteilung zurückzuziehen.

Weisbrot (Anm.: Co-Direktor des CEPR) sagte, es sei “unverantwortlich”, solche Anschuldigungen zu erheben, wenn es in Bolivien bereits Gewalt nach der Wahl gebe. “Denn durch die ständige Wiederholung dieser Erzählung in den Medien, wird sie ein Eigenleben annehmen und schwer zu korrigieren sein, auch wenn mehr Menschen sich die Daten ansehen oder statistische Analysen erstellen.”

Weisbrot sagte auch, es sei “beunruhigend”, dass die OAS-Freigabe auf Äußerungen mächtiger, parteiischer US-amerikanischer politischer Akteure folgte, die sich seit langem gegen die bolivianische Regierung ausgesprochen haben.

So hatte Senator Marco Rubio, Stunden vor der Veröffentlichung der OAS, erklärt: “Evo Morales hat es versäumt, die erforderliche Marge zu sichern, um die zweite Runde (Stichwahl) zu vermeiden”, und äußerte die Sorge, dass “er die Ergebnisse manipulieren wird”. Beamte der Trump Administration machten ähnliche Aussagen.

“Die OAS-Erklärung impliziert, dass mit der Stimmenauszählung in Bolivien etwas nicht stimmt, weil später gemeldete Wahlzentren einen anderen Abstand aufweisen als frühere”, sagte Weisbrot . “Aber es liefert absolut keine Beweise – keine Statistiken, Zahlen oder Fakten jeglicher Art -, um diese Idee zu unterstützen.

“Und tatsächlich zeigt eine vorläufige Analyse der Abstimmungsdaten an allen der mehr als 34.000 Abstimmtabellen – die alle öffentlich zugänglich sind und von jedermann heruntergeladen werden können – keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten.” (https://computo.oep.org.bo/)

Vielmehr zeigten historische Trends, dass Morales in Gebieten stärkere Unterstützung erfährt, in denen die Übertragung der Stimmen länger dauert, dies erkläre, warum sich der Abstand zwischen Evo Morales und dem Oppositionskandidaten Carlos Mesa vergrößert hat (siehe auch hier: https://neue-welt-reisen.de/reiseziel/suedamerika/bolivien/hintergrund/zahlen-und-fakten/#4. Evo Morales und die Halbmondprovinzen).

Die so genannte Puebla Gruppe, der Repräsentanten 32 amerikanischer Staaten angehören, hat im Anschluss an ihre Tagung vom 8.-10.11.2019 in Buenos Aires folgende Stellungnahme veröffentlicht, in der sie den Staatsstreich in Bolivien verurteilt: “Wieder einmal wurden die Verfassung und der Rechtsstaat Boliviens verletzt, indem ein verfassungsmäßiges Mandat unterbunden wurde. Die schwerwiegenden Ereignisse der letzten Tage in Bolivien haben sich verschärft. Die Oppositionskräfte haben politische Mobilisierungen inszeniert, die von Gewalttaten, der Erniedrigung demokratisch gewählter Amtsträger, Invasion, Plünderung und Verbrennung von Häusern, Entführung und Drohungen von Verwandten begleitet wurden, um einen Staatsstreich durchzuführen und den Rücktritt von Präsident Evo Morales und seinem Vizepräsidenten Álvaro García-Linera, der rechtlich und demokratisch gewählt wurde, zu erzwingen” (https://www.grupodepuebla.org/grupo-de-puebla-rechaza-golpe-de-estado-en-bolivia/).

Am Tag nach Evo Morales’ Ankunft in Mexiko hat das Militär in Bolivien die Kontrolle übernommen und die Oppositionspolitikerin Jeanine Áñez hat sich ohne Quorum der gesetzgebenden Versammlung zur Interimspräsidentin erklärt. Nach dieser Autoproklamation betrat Áñez den alten Regierungspalast mit einer Bibel in der Hand. Obwohl niemand sie vereidigte, legte ihr der Militärchef die Schärpe des Präsidenten um und überreichte ihr den Kommandostab. Wes Geistes Kind Jeanine Añez ist, offenbarte sie u.a. in einem (zwischenzeitlich gelöschten) Tweet vom April 2013, in dem sie folgendes Statement absonderte: “Ich träume von einem Bolivien, das frei ist von teuflischen indigenen Riten, die Stadt ist nicht für die Indios, sollen sie doch ins Hochland oder in den Chaco gehen!” (http://www.resumenlatinoamericano.org/2019/11/13/bolivia-urgente-el-cabildo-masivo-en-el-alto-finalizo-y-se-dirige-a-la-paz-para-que-renuncie-la-golpista-jeanine-anez/)…

Pikanterweise war eine der letzten politischen Entscheidungen, die Morales traf, bevor er ins Exil ging, dass er das Lithium-Abbau-Projekt des deutsch-bolivianischen Joint Ventures ACISA im Salar de Uyuni nach Protesten der lokalen Bevölkerung stoppte.(https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.lithium-abbau-in-bolivien-acisa-transparenz-nur-ein-feigenblatt.b11d6a45-421b-4767-a007-2cfbeba4fc11.html)