Cartagena

Die legendäre Hafenstadt an Kolumbiens Karibikküste blickt auf eine turbulente Geschichte zurück.

1533 wurde sie durch den spanischen Fregattenkapitän Pedro de Heredia gegründet und Cartagena de Indias getauft, um sie von ihrem spanischen Vorbild zu unterscheiden, aus dem ein Großteil der Schiffsbesatzung stammte.
Der Ort bot die besten Voraussetzungen für eine Ansiedlung: Ein natürlicher Hafen am Ende einer weiten Bucht, zum Meer hin abgeschottet durch vorgelagerte Inseln und Landzungen, die nur an zwei Stellen die Einfahrt in die Hafenbucht erlaubten, vom Landesinneren durch Berge und Hügel getrennt .
Schnell entwickelte sich der Hafen zu einem wichtigen Umschlagplatz der Reichtümer, die die spanischen Kolonisatoren aus den Kolonien Neugranadas  raubten, um sie über den Río Magdalena zur Küste und von dort nach Europa zu verschiffen.
Die goldbeladenen spanischen Galeonen zogen  auch die Piraten der Karibik an, und schon nach wenigen Jahren musste sich Cartagena erster Angriffe erwehren.
1586 eroberte Francis Drake mit seiner Flotte die Stadt, und Spanien musste ein horrendes Lösegeld zahlen, um die zu einem Viertel zerstörte Stadt zurückzukaufen.
Zum Schutz des prosperierenden Hafens wurden Stadtmauern und Befestigungsanlagen, so genannte Murallas, von insgesamt 11km Länge gebaut, bis schließlich eine vollständig ummauerte Stadt  entstand (Ciudad Amurallada), deren vier Forts (San Fernando, San José, San José de Manzanillo und das gewaltige San Felipe de Barajas) die “Perla de las Indias” zur uneinnehmbaren Festung machten.
Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts war fast die Hälfte aller Schiffe, die nach Hispanoamerika kamen, Sklavenschiffe und Cartagena wurde zum größten Umschlagplatz der menschlichen Ware.
Im später heiliggesprochenen Jesuitenpater Pedro Claver fanden die afrikanischen Sklaven einen Fürsprecher, dessen selbstloser Einsatz ihm den Beinamen als “Sklave der Sklaven” und den Status als Schutzheiliger Kolumbiens einbrachte.
Cartagena blieb bis zum Ende der Kolonialzeit Neugranadas heimliche Hauptstadt und sein bedeutendster Hafen.
Als erste Stadt des heutigen Kolumbiens erklärte Cartagena 1811 unter dem Eindruck der französischen Revolution und der napoleonischen Besatzung des Mutterlandes die Unabhängigkeit von Spanien, doch erst nach der Schlacht von Boyacá wurde diese 1822 offiziell.
Während dieser Phase wurde Cartagena fast zur Geisterstadt und viele seiner prächtigen Bauten lagen in Ruinen, Hungersnöte und Choleraausbrüche hatten die Einwohnerzahl derart dezimiert, dass die Stadt von der Landkarte zu verschwinden drohte.
Cartagena fiel in einen wenig romantischen Dornröschenschlaf, der mit einigen Aufs und Abs bis ins späte 19. Jahrhundert andauerte.
Erste Anstrengungen, Cartagenas historisches Zentrum zu restaurieren, wurden unternommen, als es 1959 zum nationalen Kulturerbe erklärt wurde. Die Aufnahme ins Weltkulturerbe erfolgte 1984.

Cartagenas historischer Stadtkern unterteilt sich (im Uhrzeigersinn) in die Viertel Ciudad Vieja, San Diego, La Matuna und Getsemani. Die beiden letzteren sind durch den Parque Centennario getrennt.
Als offizieller Eingang zur Ciudad Vieja gilt die Puerta del Reloj, hinter der sich die Plaza de los Coches, auf der einst die Sklavenmärkte stattfanden, öffnet. In ihrem Zentrum steht ein Standbild des Stadtgründers. Der Platz ist umgeben von alten Kolonialgebäuden mit Holzbalkonen und schattigen Arkaden. Im Südwesten schließt sich die Plaza de la Aduana an, die sich als größter Platz der Altstadt mit einem Standbild des Christoph Kolumbus schmückt. Im renovierten ehemaligen Zollgebäude (Casa de la Aduana) hat heute Cartagenas Stadtverwaltung (Palacio Municipal) ihren Sitz.
Folgt man dem Baluarte de San Ignacio trifft man auf einen der schönsten Plätze der Stadt, die Plaza San Pedro Claver mit der gleichnamigen Kirche und einer Statue des Nationalheiligen von Enrique Grau.
Dem Befestigungsring nach Nordwesten folgend trifft man zunächst auf das interessante Schifffahrtsmuseum (Museo Naval del Caribe) beim Baluarte de San Francisco Javier und weiter nach Norden an der Südwestecke des schattigen Parque de Bolívar auf den Palacio de la Inquisición mit seinem markanten Steinportal. Die Nordwestecke des Platzes nimmt Cartagenas Kathedrale ein, die 1612 fertiggestellt wurde und damit neben der von Mexiko Stadt den Rang als älteste des Kontinents beansprucht.
In den Abendstunden wird der Parque de Bolívar Bühne für afrokaribische Tanzgruppen. Einen Straßenblock weiter nach Norden erreicht man das Epizentrum des cartagenischen Nachtlebens, die Plaza Santo Domingo vor der gleichnamigen Kirche. Hier versammeln sich Schauspieler, Musiker, Gaukler und Pantomimen vor den zahlreichen Bars, Cafés und Restaurants, von denen die meisten nahezu rund um die Uhr geöffnet sind.
An einer Ecke des Platzes räkelt sich die üppige Gertrudis des Bildhauers Botero.
Nicht nur bei Touristen sondern auch bei Einheimischen ein beliebter Treffpunkt ist die Plaza de San Diego am Nordende des gleichnamigen Viertels zwischen den Baluartes von Santa Clara und von San Lucas. Tagsüber schmückt sich der Platz mit den Gebäuden der Universität der schönen Künste, während er abends zu einem großen Freiluftrestaurant wird.
Am Nordende des Viertels San Diego beherbergen die ehemaligen Verliese der Bóvedas als Teil der Stadtmauer heute Kneipen und Souvenirläden.
Außerhalb des Altstadtkerns lohnen das mächtige Castillo San Felipe Barajas, das als größter spanischer Festungsbau in der Neuen Welt gilt, sowie das Kloster La Popa auf dem gleichnamigen Hügel einen Besuch.
Außerhalb der “Ciudad Amurallada” ist Cartagena binnen eines Jahrhunderts von einer Kleinstadt mit 29000 Einwohnern im Jahre 1912 zu der Millionenstadt angewachsen, die es heute ist.
Alles andere als glamorös lebt es sich in den Armenvierteln Cartagenas, die meist als informelle Siedlungen von Bürgerkriegsflüchtlingen entstanden sind. Das bekannteste dieser Viertel, Nelson Mandela, im Südosten der Stadt, beherbergt 50000 Menschen auf 56 Hektar.
Kolumbien hat nach Syrien und Afghanistan die höchste Zahl an Binnenflüchtlingen und Cartagena die höchste Quote innerhalb Kolumbiens.
Man schätzt, dass jeder siebte Einwohner auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg im Karibikhafen gestrandet ist.